Politischer Zynismus in Ecuador: Während sich die Regierung bei Indigenen in Sarayaku entschuldigt, wiederholt sich die Geschichte in anderen Teilen des Landes

Der 1.Oktober geht als historisches Ereignis in die Geschichte der indigenen Gemeinschaft der Sarayaku aus dem ecuadorianischen Amazonasgebiet ein. Es ist das erste Mal, dass staatliche Repräsentanten Ecuadors bei einem indigenen Volk öffentlich um Entschuldigung für begangenes Unrecht bitten.

von Hanna Prautzsch; Foto: Wamba Radio

Bereits vor 22 Jahren hatte der Staat Förderkonzessionen vergeben und Erdölexplorationen im Gebiet der Sarayaku mit militärischen Mitteln begleitet – zum Leidtragen der Sarayaku, die mit Umweltverschmutzung und der Zerstörung ihrer heiligen Stätten leben mussten. Die Entschuldigung des Staates ist demnach ein großer Schritt in die richtige Richtung. Doch während die Regierung sich in Sarayaku bei der lokalen Bevölkerung entschuldigt, wiederholt sich die Geschichte in anderen Teilen des Landes: im wenige Kilometer entfernt gelegenen Förderfeld 79 und ein paar hundert Kilometer nordöstlich im Yasuní-Nationalpark.

Die Ereignisse, die erst zur Eskalation und nun zur Entschuldigung führten, begannen im Jahr 1992, als den Indigenen aus Sarayaku nach massiven Protesten 135.000 Hektar Land zuerkannt wurden. Doch ihr Erfolg währte nicht lange, und das frisch errungene Territorium geriet schon 1996 in Gefahr, als der ecuadorianische Staat Erdölkonzessionen an den argentinischen Konzern CGC vergab – ein Teil von Sarayaku wurde politisch zum Förderfeld 23, der Protest der Indigenen ignoriert. Sechs Jahre später rückte der Ölkonzern an. Den Widerstand der Kichwa aus Sarayaku beantwortete die ecuadorianische Regierung, indem er Militär in das Gebiet schickte. Das stellte einen klaren Rechtsverstoß dar, denn Ecuador verpflichtete sich mit der Unterzeichnung der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), vor Entscheidungen, die das Leben der indigenen Gemeinschaften betreffen, diese zu konsultieren. Zudem wurden durch diese Fehlentscheidung die gemeinschaftlichen Besitzrechte und die kulturelle Identität der indigenen Gemeinschaft verletzt. Denn die Bewohner Sarayakus pflegen Traditionen, die eng mit der Natur verbunden sind und ernähren sich hauptsächlich von den Erzeugnissen des Waldes, der Fischerei, Jagd und Landwirtschaft. Doch ihre Lebensgrundlage geriet durch die Erdölexploration in Gefahr. Schneisen im Wald und seismische Sprengungen zerstörten spirituelle Stätten und beeinträchtigen bis heute das Ökosystem. Fast eineinhalb Tonnen Sprengstoff blieben im Wald vergraben zurück.

Ein Sarayaku-Weiser bereitet das Entschuldigungsritual vor.

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte gab der Klage der Sarayaku 20012 Recht und verurteilte  Ecuador zu Entschädigungszahlungen von 1,3 Millionen US-Dollar. Darüber hinaus wies das Gericht an, die Förderungsvorhaben einzustellen und den verbliebenen Sprengstoffes zu beseitigen. Auch die Entschuldigungszeremonie ist Teil der gerichtlich festgelegten Wiedergutmachung.

Justizministerin Ledy Zúñiga bei der Verlesung der Entschuldigung in Sarayaku. Staatspräsident Correa blieb der Veranstaltung fern.

Zwei Jahre nach dem Gerichtsurteil hat sich der Staat nun endlich in Sarayaku entschuldigt. Es hält ihn jedoch nicht davon ab, weitere Ölfelder im Amazonasgebiet unter Missachtung des Konsultationsrechtes freizugeben. Fast schon mit zynischer Gelassenheit forciert die ecuadorianische Regierung das gleiche Vorgehen im Förderfeld 79 in Sarayaku und im nordöstlich gelegenen Yasuní-Gebiet. Die Lebensgrundlage der indigenen Amazonasnationen und Völker bleibt akut von der Ausweitung der Erdölfront bedroht. Lippenbekenntnisse reichen nicht – die einzig wahre Entschuldigung ist eine grundlegende Verhaltensänderung hin zum Schutz der Natur und der indigenen Gemeinschaften.

Patricia Gualinga erzählt in diesem Video auf Spanisch mit englischen Untertiteln vom Kampf der Sarayaku.

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Wamba Radio.

[Zur Autorin]

HANNA PRAUTZSCH studiert im 6. Semester Politikwissenschaft und Ethnologie an der Uni Freiburg. Sie verbrachte ein Jahr in Ecuador und arbeitete in der Zeit als Freiwillige in einem Frauenhaus in den Anden. Momentan lernt sie auch Kichwa, den ecuadorianischen Dialekt von Quechua.

Ein Gedanke zu “Politischer Zynismus in Ecuador: Während sich die Regierung bei Indigenen in Sarayaku entschuldigt, wiederholt sich die Geschichte in anderen Teilen des Landes


  1. Hat dies auf Chirimoya Tours Peru Reiseveranstalter rebloggt und kommentierte:
    „Der 1.Oktober geht als historisches Ereignis in die Geschichte der indigenen Gemeinschaft der Sarayaku aus dem ecuadorianischen Amazonasgebiet ein. Es ist das erste Mal, dass staatliche Repräsentanten Ecuadors bei einem indigenen Volk öffentlich um Entschuldigung für begangenes Unrecht bitten.“

Kommentar verfassenAntwort abbrechen